_040_11_f01r.jpg)
Pest, den 1. August.
Bester Freund!
Ich habe heute Ihren Brief erhalten, der mich in manches
Beziehung sehr freut; vor allem, weil ich damit zugleich
ein Zeugniß dichterischer Produktion bekomme, welche mich
beim Freunde umsomehr erhabt, als sie mir selbst seit
einem Monate, für mich eine Ewigkeit, völlig versagt
ist. Verlange Sie noch keine Beurtheilung des Gedichtes, das
ich erst einmal und flüchtig durchgelesen habe, Sie sollen
es jedoch im nächsten Briefe finden. Vorläufig nur so viel:
daß die Bilder
am „Springbrunnen”
zwar Ruhe und originell, oft sogar gewal¬
tig, daß sie aber fast immer zu schwerfällig sind. Sie müs¬
sen formell klarer sein. Das ist aber kein Tadel, warum,
werde ich Ihnen nächstens sagen. Ihr Brief hat mich
ferner darum so gefreut, weil ich ihn als ein Zeichen
Ihrer Zartheit und Freundschaft für mich
[törölt]
« erblicke »betrachte
die sie veranlaßten, mir gleich zu antworten und
für eine passende Lektüre für mich zu sorgen. Schrei¬
ben Sie nur häufig!
Sie verlangen die Meerarbeite, voilà, hier sind hin!
Ich habe mir mit Nachnahme 1
fl
20 [rövidítés] florin
kr
zahlen lasse, weil
[rövidítés] kreuzer = krajcár
mich Ihre Andeutung, das Buch sei nicht für Sie, be¬
stimmt glauben läßt, daß auch Sie es nicht be¬
zahlen. Gegen Sie mir darüber bestimmte Aufklärung!
Übrigens schadet mir das Geld jetzt nicht, und die
Gebr.
[rövidítés] Gebrüder = Testvérek
Deutsch spüren dies eine Exemplar, das ich natürlich
mitgehen geheißen habe, nicht; und wenn ja, so mache
ich mir nicht viel daraus.
_041_11_f01v.jpg)
Wie freudig stimmt mich die Nachricht, daß Sie anfan¬
gen lateinisch zu lernen! Sie gesegnet der Mensch
oder Gegenstand, der Sie auf die Bahn gelenkt,
die Sie allein zu einer lichten Zukunft führen kann!
Lernen Sie nur fort, und ich hoffe, Sie mit nächstem
August mit einem Maturitäts zeugniß in der Hand
vor mich treten zu sehn. – Daß Ihnen von „
Főv. Lap.
”
[rövidítés] Fővárosi Lapok
kein Freiexemplar gesendet würde, wundert mich; schrei¬
ben Sie nochmals, gut und bestimmt. Überhaupt – was
hat die Redaktion geantwortet? War der Brief et¬
was werth? Habe Sie mit vollem Namen unterzeich¬
net? Nur ausführlich, Sie wissen ja, bester Freund
Kiss, welchen Antheil ich an Ihnen nehme! Und wenn
wir nicht aneinander Antheil nehmen, was soll dann
die kalte, fremde Welt dann sagen und thun? Ihre Hand,
wir verstehen uns ja! Sie gehören ja mit zu jenen,
die die Natur zu mir, zu denen mich die Natur ge¬
führt hat, damit wir in warmer Gemeinschaft den Kal¬
ten Stürmen von Außen trotzen können.
Ihnen schreibt Józsi – mir schreibt er nicht. Auch gut,
er weiß ja, was er thut, er ist ja klug! Ich bin ge¬
gen ihn sehr gleichgiltig, seit er im Stände war,
zwei Monate lang auf zwei meiner Briefe nicht zu
antworten! Bringe Sie ihm das bei Gelegenheit bei,
ja?
Nun zu mir. Der Doktor sagt zwar, es geht besser, ich sage
aber: Nein! Denn ich habe zum Schanker und zu zwei
Pauken den spanischen Kragen bekommen. Morgen
werdens
[törölt]
« s »besser. Gott, Gott, wenn dies noch lange dauert, ich
muß verzweifeln! Geistig ebenso ruiniert sein als
_042_11_f02r.jpg)
körperlich, faktisch seine ganze Zeit mit Waschungen
und dem Bade zuzubringen, Schmerzen und Besorg¬
nis gleichmäßig zu erdulden und – allein zu sein!
Es geht nicht länger.
Aber lassen wir das – wenn ich klage, Sie werden
mir doch nicht helfen. „Deutschland“ hatte ich am 22.
weggeschickt, am 26. kam das Paket in Leipzig
an, und noch am selben Tag retournierte es Wigand
mit einem überaus höflichen Briefe des Inhalts: „Werther
Herr! Ohne Rücksicht auf den unsern Werth muß ich der
Verlag ablehnen, weil mich die letzten Ereignisse
für lange Zeit anfähig gemacht haben, neue Ver¬
bindlichkeit einzugehen,
u. s. w. u. s. w.
” Ich bin gleich
[rövidítés] und so weiter = és így tovább
zu Lilian gegangen, um zu Fragen ob dies Aus¬
rede oder Wahrheit sei, und Lilian verführte zu
bestimmt das letztere. Wigand hat die Rücksendung
ausständig frankirt. Morgen geht das Paket zum zwei¬
tenmal, diesmal an Brockhaus ab; wenn dieser
[szerkesztői feloldás]
¬es zurückschickt, geschieht, es wenigstens aus einem
andern Gründe, als bei Wigand.
Hand und Kopf sind gleichmäßig ermüdet, ich kann
nicht mehr auf einmal schreiben. Aber nicht wahr,
das hält Sie nicht ab, mir viel zu schreiben? Wenn
ich gesund bin, sollen Sie keinen Brief von mir
erhalten, der nicht mindestens acht große Seiten lang
ist, nur jetzt schreiben Sie viel.
Haben Sie sich auch an die andern Redaktionen,
die ich Ihnen genannt, mit Briefen gewendet?
Wenn nicht, so thun Sie es gewiß. In No. 34 des
„Nefelejts” vom 26. August ist zum erstenmale ein
Gedicht Józsis, „Sors”, abgedruckt. Der Kerl wird sich freuen!
_043_11_f02v.jpg)
Er weiß natürlich nichts davon. Wann werde ich
schon Sie darauf überraschen können?
Also – nur lernen, und an die Zukunft denken, und
nebenbei auch ein wenig an Ihren
Max Nordau
NB. Apropos, Sie korrespondiren ja sehr faul, schreibt
Natzi, alle drei Wochen ein Brief, warum ist
das? Sie werden doch – hoffe ich – nicht faul
sein? Das wäre unter Freundens entehrend!
Sr. Wolgeboren
Herrn Josef Kiss
Pankota.