Nordau Miksa – Kiss József (1866-07-31)


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Sr. Wolgeboren Herrn Josef Kiss
Erzieher bei Herrn Lilienfeld  

in  

Pankota
bei Arad  

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Herrn Kiss in Pankota  

Lieber
Freund
[betoldás]
!  

Ich habe Ihren Brief gelesen und mit Bedeuern gefunden, daß mein
Gedicht auf Sie einen Eindrück gemacht hat, der von demjenigen
ganz verschieden ist, den ich zu erzielen wünschte. Ich wollte
Thatkraft in Ihnen erwecken, und Sie sprechen von einen „reg¬
geli és esti ima”; ich wollte Energie anflammen, und Sie – träumen,
freilich poetisch, aber das sind doch immer nur Träume! Geben Sie
nur liebes Antwort auf meine praktischen Rathschläge in Be¬
treff der Matura! Ich bemerke Ihnen hinzu ausdrücklich, daß man
bei den Reformirten diese – besonders Privatschülern – sehr leicht
macht.  

Freund! Keine Trauer; Muth! Und sollten Sie schwach werden, so –
„Reich ich dir die Freundeshand.”  

Haben Sie Vertrauen, seien Sie gewissenhaft gegen sich selbst;
geben Sie sich nicht entverwenden Träumereien hin, sondern
versuchen Sie die dunkeln Gefühle, die Sie in der Einsamkeit
stets beschleichen, doch einmal bei hellem Lufts des Verstandes zu
betrachten, und Sie werden finden, daß sie nichts als leere Schatten
sind, von denen beherrscht zu werden Sie sich Schämen würden.
Wissen Sie was, psychologisch erklärt, dieses Träumen ist? Gedankenlosig¬
keit ohner Nachdenken ohne ausgesprochenen hauptgedanken! Forschen Sie,
und Sie werden sehen, daß ich recht habe. Auch Natzi hat daran
gelitten, und mehr als Sie gelitten und ich habe ihn durch derselbe
Prinzip, durch das hinlenken auf seinen Verstand, zur Heilung
gebracht.  

Apropos Natzi: Er ist am 24. früh 6 Uhr abgereist, und hat nur bis
heute schon drei Briefe geschrieben. Seine Adresse ist: „Herrn
Ign
[rövidítés] Ignaz (Ignác)
.
Weiss in Kis Kér per Alt-Kér bei Neusatz”. Schreiben Sie ihm
häufig, es wird ihn, da er allein ist, gewiß freuen.
Von Ihren kleinen Gedichten habe ich Ihnen wieder nichts Schmeichelhaftes  

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zu sagen; das erste ist unbedeutend; das zweite gar nicht glücklich und
gearbeitet, es ist wieder und eine erste Strofa da, während die
übrigen abgesehen von ihrer pontischen Impotenz so schauerliche
Formfehler haben, als hätte Sie Tatár Péter geschrieben. Standiren
Sie Ihre Marke doch! Das dritte Gedicht ist verhältnißmäßig das beste
(Einäugiger König der Blinden). Geben Sie mir doch endlich wieder wie
durch „Egy boldogtalan dalaiból” Gelegenheit, Sie zu loben!  

Mein „Deutschland” ist schon ganz,
d. h.
[rövidítés] das heißt (azaz)
sammt Vor- und Nachwort, fertig,
und macht mir jetzt durch das Abschreiben elende Arbeit. Ich habe
nur wenig mehr zu kopiren, und kann Ihnen definitiv angeben,
daß ich nun nachdem mich keine Kriegsverhältnisse mehr aufhalten,
am 11. August das Gedicht an Otto Wigand in Leipzig abschicken wer¬
de. Natürlich werde ich nicht erwangeln, Sie, von eine entscheiden¬
den Antwort des Verlegers rasch in Kenntnis zu setzen.  

Nur eine Nachricht, die Sie gewiß so erschüttern wird, wie mich; Wäh-
rend des gestringen Vorstellung des Brankovich György" starb
Egressy Gábor noch während der Schlußspenn des dritten Aktes (wo
er beim Anblick seines vom Serbenwojwoden zurückgeschickten blinden
Kinder in Ohnmacht zu seiten hat) auf der Bühne. Sie erfahren
dass traurige Ereignis durch diesen Brief von einen Tag
früher als durch die Blätter.  

Der „Zwischenakt
*
Művészeti szaklap 1863 és 1866 között
” bin ich nicht untreu geworden, vielmehr schreibe ich
Ihnen auch dieses aus dessen Redaktion, da ich sonst keine Zeit habe;
und was das Ratschaft anbelangt, so habe ich meines verloren,
und war vom Schicksal demgemuß gezwungen, eine zu
genommen
[bizonytalan olvasat]
.
Daß meine Wahl gerade auf Herz
*
Herz János, a "Zwischenakt" kiadója
fiel, verdankt dessen Rat¬
schaft seiner Größe und Ansehnlichkeit.  

Wenn ich Ihnen diesmal flüchtig und wenig schreibe, so ist dies keine Ent¬
schuldigung für Sie, wenn Sie das Gleiche thun. Ich erwarte, vielmehr
von Ihnen bald einen großen Briefe. Schreiben Sie auch Natzi!  

Ich bleibe ewig Ihr Freund  

Max Nordau  

Pest, 31. Juli
1866
[bizonytalan olvasat]
.